Das erste Mal

An das erste Mal, den ersten Stadionbesuch, kann sich wohl jeder Fan erinnern. Die meisten wurden von Papa mitgenommen. Mein Sohn wird irgendwann auch davon erzählen können. Gegen Hannover war er dabei. Sein erstes Fußballspiel über 90 Minuten überhaupt. Erstmals auf Schalke. Und für mich war es keinen Deut weniger aufregend als für ihn.

Mama meinte das hätte noch Zeit. Aber wir waren beim „Familientag“, zur Saisoneröffnung. Damals saß unser Sohn fasziniert auf einem Schalensitz, starrte auf den Rasen, sang „Happy Birthday“ für Felix Magath, den er nicht kannte, aber das Lied kannte er, und wollte nicht mehr weg. Seitdem fragte er jedes Mal wann er mal mitdürfe, wenn ich mich an Spieltagen Richtung Gelsenkirchen aufmachte. Vielleicht hatte Mama recht, er ist Fünf. Aber manchmal müssen Männer tun, was Männer tun müssen.

Burger essen zum Beispiel. Also fuhren wir schon um 12 Uhr los. Unser Tag! Die CD fürs Auto hatte ich eigens für diese Fahrt zusammengestellt. „Blau und Weiß“ und „Opa Pritschikowski“ konnte er bereits. Bei den anderen Gassenhauern ist er nun deutlich weiter. Anfangs machte er mich noch auf jeden Schalke-Aufkleber, jeden Schal und jeden Trikoträger aufmerksam, so wie er es immer tut. Aber das ließ nach, spätestens bei McDonalds am Stadion, wo sich auch zu früher Zeit schon reichlich Schalker den Bauch vollschlugen. Eben wie wir.

Im Stadion angekommen wollte der neue Fan ausgerüstet werden. Ich hatte es versprochen. Er hatte von sich aus schon sein Bestes gegeben. Er trug seine Schalke-Cap, die ich ihm mal mitgebracht hatte, und auch bei restlos allem anderen hatte er darauf geachtet, Blau zu tragen. Ein Shirt durfte es sein und ich hielt ihm verschiedene hin. Er fand sie schön, alle, aber eigentlich fand er das Teuerste am schönsten. Das was Papa nicht trägt, weil „Gazprom“ draufsteht, womit Papa ihn aber nicht belästigen wollte. Das Blaue eben. Und weil Papa findet, dass – wenn schon, denn schon – auch der Name und eine Nummer draufgehören, und weil das im Stadionshop nicht geht, und weil Sohnemann aber irgendwas „für sofort“ habe wollte, kauften wir noch einen Kinder-Schal.

Schade, dass es noch 0:0 steht, nä Papa?!

… bemerkte er nach gespielten 3 Minuten und 10 Sekunden. Seit der Ball rollte legte sich die Aufregung ein wenig. Nach der geteilten Wurst – Klischees selbst erleben ist eine wahnsinnig tolle Sache – und nachdem er erstmals mit 60.000 Anderen unser Lied sang. Nun erfragte er sich das für ihn nötige Wissen. Woher ich am Ende wüsste, wer gewonnen hätte. Wieso der Torwart denn aus dem Tor laufen dürfe. Und worüber sich die Leute in den jeweiligen Situationen so aufregen.

Er schaute sich um, beobachtete und machte nach. Unmelodisch aber mit vollem Einsatz krakelte er „Schalke, Schalke, Schalke“ und reckte dabei seinen Schal, die freundlichen Blicke sichtlich genießend. „Null Vier!“ schrie er auf einmal neben mir, den Tribünen-Wechselgesang verstand er bevor ich ihn überhaupt mitbekommen hatte. Und gerade in der ersten Halbzeit hatte er mehr Augen für das Drumherum als für das Spiel.
Das änderte sich in der zweiten Hälfte. Nun passierte auf dem Rasen mehr, auf den Rängen wurde öfter Aufgesprungen. Nun wurde es lauter und das Spiel war näher, weil wir auf der Südtribüne saßen und die Blauen nun auf unser Tor spielten. Nun saß er nicht mehr auf seinem Platz sondern auf meinem Schoß, damit, wenn alle aufsprangen, auch ich und er mit mir, ich also „ihn aufspringen lassen“ konnte. Das funktionierte gut, war aber anstrengend, und ich verlor nur auf Grund der erhöhten Kalorienzufuhr nicht an Gewicht (Gummibärchen).

Überhaupt verlor niemand, alle gewannen. Mein Sohn redet von dem Tag in den höchsten Tönen und erklärt aller Welt, wieso Schalke gewonnen hat – eben weil Schalke erst ein und dann noch ein Tor gemacht hat und die Anderen keins. Ich erlebte ebenfalls einen Tag, an den ich mich immer werde erinnern können. Schalke 04 gewann neben den drei Punkten einen neuen Fan – und verdiente viel Geld an uns: Das Trikot in Größe 128 ist mittlerweile bestellt. Er wollte die Nummer 4. Ich hatte stets die 6. Mein Großer und ich, wir lesen das Spiel von hinten.

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