
Der MSV Duisburg hat mit dem FC Schalke 04 ein Benefizspiel zu Gunsten der Hinterbliebenen der Loveparade-Opfer vereinbart. Man wolle im Rahmen der Möglichkeiten einen kleinen Teil dazu beitragen, Leid zu lindern und Mitgefühl mit den Opfern, ihren Familien und Freunden kundzutun. Das Leid zu lindern kann nicht gelingen. Aber wenn Geld zusammen kommt und wenn vor allem deren Gedacht wird, die zu uns kamen um Spaß zu haben und nicht mehr heimkehrten, dann ist das gut.
Ich bin Duisburger. Ich bin in Duisburg geboren und habe nie woanders gelebt. Ich fühle mich als Ruhrstadt-Bürger und bin am westlichen Ende dieser Großstadt zufrieden. Tatsächlich bin ich kaum 600 Meter vom Unglücks-Tunnel an der Karl-Lehr-Straße aufgewachsen und habe ihn tausendmal durchquert.
Jetzt steht diese Stadt unter Schock. Ein Vater erzählte mir von seinem fürchterlichen Tag, als er erst seine Tochter zum Gelände brachte, zu Hause vom Unglück erfuhr und seine Tochter dann stundenlang nicht erreichen konnte. Freunde berichteten, dass sie, als sie die Menschenmassen in der Nähe des Tunnels sahen, enttäuscht umgekehrt seien, ohne zu ahnen welches Glück ihnen widerfuhr. Hier kennt jeder jemanden, der vergangene Samstag dabei sein wollte, hier ist jeder irgendwie betroffen.
Ich selbst fuhr mit Frau Wieland an diesem Tag zur Kirmes nach Düsseldorf. Auf dem Weg zum Bahnhof hielt ich das Aufgebot an Rettungskräfte für übertrieben. Zelte waren aufgestellt, Feldlager, Rettungswagen aus ganz Nordrhein-Westfalen, Legionen von Sanitätern und Feuerwehrmännern warteten darauf, dass was passiert. Als wir just gegen 17 Uhr am Bahnhof ankamen war dieser gesperrt. Wir wurden umgeleitet und mir wurde bewusst, dass „geleitet“ offenbar das Programm dieser Veranstaltung war: Zäune außen und Ordner vorne, Leute die einem sagten wo man hin will. Ich war sauer über diese Bevormundung. Trotzdem kamen wir via eines vollgekotzten Zugs nach Düsseldorf. Über den Typ, der zu Fuß auf den Gleisen unterwegs war, weshalb der Zug stehen blieb, oder über die Feuerwehr, die mit Blaulicht am Loveparade-Gelände entlang fuhr, dachten wir nicht länger nach.
Nachts um 2 war Duisburg immer noch voller Menschen. Während wir nach Hause gingen packten die Sanitäter ein. Ich wollte schon fragen wie der Abend denn verlaufen sei, ließ es aber bleiben. Daheim zappte Frau Wieland noch mal durch die Programme. Sie bemerkte, dass die Loveparade auch auf ARTE ein Thema war, sah plötzlich Bilder einer Reanimation … und unser schöner Altbier-Zelt-Abend rückte ad hoc nach hinten. Gegen 2:30 Uhr am Sonntag hatten die Ereignisse auch uns vollkommen im Griff.
Was das alles mit Fußball zu tun hat? Immerhin treffen sich auf Schalke alle zwei Wochen rund 62.000 Menschen zu einer Großveranstaltung. Im Schnitt sind in der Bundesligasaison 34 mal 9 Stadien mit 42.490 Zuschauern gefüllt. Oft ist es eng. Mit Hillsborough hatte auch der Fußballsport seine Panik-Katastrophe. Dass die mittlerweile so lange her ist, dass so was bislang in Deutschland nicht passiert ist, dafür wird geplant, daran arbeitet viel Personal. Leute, die offensichtlich wissen was sie zu tun haben. Anders als die Verantwortlichen in Duisburg, deren Verhalten sich wie ein Schleier der Scham über diese Stadt legt. Wenn also demnächst im Stadion mal wieder ein Ordner im Weg steht, einfach mal Danke sagen.
Foto: Johann H. Addicks