
In Beuthen/Oberschlesien kam er zur Welt. In Kriegszeiten flüchtete die Familie nach Bayern, wo er aufwuchs. Als er mit 19 Jahren nach Duisburg kam, um hier bei der Post zu arbeiten, als er das damals 18-Jährige Fräulein kennenlernte, das einmal meine Mutter werden sollte, konnte die ihn, ob seines bayerischen Dialektes, kaum verstehen.
In Duisburg sollte er Zeit seines Lebens bleiben. Meine Eltern heirateten 1958, im Jahr der letzten Schalker Meisterschaft. Mein Papa, den ich solange ich denken kann immer nur Fatter nannte, schaute immer Fußball. Früher an der Hafenstraße in Essen und im Wedaustadion zu Duisburg, in den letzten 20 Jahren als Anhänger des FC Bayern alles, was der Pay-TV-Decoder hergab. Wichtiger als Fußball war für ihn aber Eishockey. Dabei blieb er Duisburg stets treu, egal in welcher Liga der hiesige Club auch grade spielte.
Als ich 7 oder 8 Jahre alt war nahm er mich erstmals zu einem Eishockey-Spiel mit. Seitdem war das, bis zum Ende meiner „Jugend“, unser gemeinsames Ding. Sehr intensiv, mit vielen Auswärtsfahrten und regelmäßigen Trainingsbesuchen. Ich entwickelte mich vom faszinierten Knirps zum pickeligen Fanmob-Fan und wäre sicher ein Ultra geworden, hätte es so was damals gegeben. Fatter blieb hingegen über die ganzen Jahre wie er war. Er mochte mosern, sich aufregen, auch mal abwinken, und blieb doch immer dabei.
Ich wurde spät geboren und blieb ein Einzelkind. Als ich auszog, verlor das Leben meiner Eltern eine gehörige Portion Palaver. Schneller als es – meiner Ansicht nach – hätte sein müssen, entwickelten sie „Olle Lütt-Marotten“. Ich denke, ab und an fand mein Fatter mich sicher doof. Ich glaube er hätte sich mehr und intensiveren Kontakt gewünscht, als ich mein eigenes Leben leben wollte, als mich die Fragen nach meinem Alltag nervten. Manchmal war es anstrengend, wie es eben zwischen verschiedenen Generationen anstrengend sein kann. Aber im Grunde gab es nie eine Bruch und nie einen länger anhaltenden Streit.
Als meine Kinder zur Welt kamen, tat das auch meinen Eltern gut. Mein Fatter war nun Opa und er war es gerne. Er liebte seine Enkel sehr, und sie ihn, bei ihm durften sie alles. Wenn mal ein strenges Wort angebracht gewesen wäre, weil meine Kinder den Bogen überspannten, musste er dabei lachen, weil es ihm selbst so unecht vorkam. Der stets gutmütige Opa, der seine Enkel zum lachen brachte, war seine letzte Paraderolle.
Wenn Schalke und der FC Bayern nicht grade zeitgleich spielten, habe ich die Auswärtsspiele der Blauen häufig bei ihm gesehen. Oft war mein Sohn dabei. Auch letzten Samstag war das noch so. Vor dem Spiel schenkte mein Sohn ihm ein Ribéry-Poster, das er in irgendeiner seiner Fußball-Zeitschriften gefunden hatte. Wir könnten demnächst ja mal Pizza zum Spiel bestellen, meinte mein Fatter irgendwann, da hätte er mal wieder Lust drauf. Demnächst mal, ja, auch mein Sohn war von der Idee begeistert.
Als wir nach dem Spiel aufbrachen, als wir uns wie immer verabschiedeten und ich mein übliches „Bis die Tage“ sprach, ahnte keiner von uns, dass es keine weiteren gemeinsamen Tage geben würde.
Ohne jegliche vorherige Anzeichen sackte er Montag in sich zusammen. Jede Hilfe kam zu spät.
Tschöö Fatter!
Kein Vorwurf, aber das ging mir jetzt viel zu flott.
Schade, dass ich Dir so vieles nicht mehr sagen konnte.
Aber danke für alles!