Das Drumherum der Bundesliga ist hektisch, auf Schalke sowieso. Immer wieder wird Geduld gefordert. Gerade vor dem Derby wird Schalke da häufig mit Borussia Dortmund verglichen. Dabei wird Schalkes Hektik der angeblichen Geduld Borussia Dortmunds gegenüber gestellt.
André Breitenreiter erwähnte in der heutigen Ausgabe des kicker, Dortmund habe seinerzeit mit Jürgen Klopp „Ruhe bewahrt, sich zwei, drei Jahre Zeit gegeben“, was er sich auch auf Schalke wünsche, denn es brauche Geduld „um eine hungrige Mannschaft zu formen, die konstant Topleistungen abruft und in einigen Jahren um Titel mitspielt“. Ein Tag zuvor ließ man Felix Magath in Sportbild zu Wort kommen. In einem Artikel, in dem Schalkes Ex-„Trainager“ den Club umfassend kritisiert, lobt er Dortmunds „Stabilität“, durch die Klopp nie infrage gestellt worden sei. Selbst Ralf Fährmann nannte vor kurzem Borussia Dortmunds Zeit unter Jürgen Klopp als Beispiel für ein geduldiges Umfeld. Unter Fans gibt es den Vergleich der Blauen mit Borussia Dortmund seit Jahren zu hören. Eine Darstellung die zum Mythos avanciert. Ein Vergleich der gewaltig hinkt.
Nein, Fußballfans träumen nicht immer und ständig von der Meisterschaft, nicht mal auf Schalke. Zufriedenheit steht immer im Zusammenhang mit Erwartungen, und diese werden durch die Umstände, in denen sich ein Club bewegt, und durch die zuletzt erreichten Ergebnisse bestimmt. Grundsätzlich kann man sagen, dass sich Fans, ausgehend von den Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit, eine Verbesserung wünschen.
Bevor Borussia Dortmund in Jürgen Klopp den für diesen Club perfekten Trainer fand, hatte man diverse andere Trainer recht ungeduldig verschlissen. Von 2002 bis 2007 ging es Jahr für Jahr sportlich ein Stückchen bergab. Die finanziellen Probleme warfen einen Schatten auf den Club, 2005 stand man kurz vor dem Konkurs. Als Jürgen Klopp die Mannschaft im Sommer 2008 übernahm, hatte sich der BVB vier Jahre hintereinander nicht für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert und die vorherige Saison mit ungeduldigem Umfeld und doll’scher Wutrede auf Platz 13 abgeschlossen.
In der ersten Saison unter Klopp erreichte der BVB Platz 6, die beste Platzierung seit fünf Jahren. In der zweiten Saison qualifizierte man sich nach fünf Jahren erstmals wieder für den Europacup. In den folgenden vier Jahren wurde man zweimal Deutscher Meister, zweimal Vizemeister, gewann einmal den DFB-Pokal, erreichte das Champions League-Finale und ist seitdem der einzige ernstzunehmende Konkurrenz des FC Bayern in deutschen Fußball. Als im siebten Jahr plötzlich nichts mehr funktionierte, als Borussia zur Winterpause auf einem Abstiegsplatz stand, überschlugen sich die Zeitungen mit schlauen Artikeln die erklären wollten, warum Jürgen Klopp nicht mehr der geeignete Trainer sei. In der Folge gab er seinen Rücktritt zum Saisonende bekannt.
Letztlich war Jürgen Klopp sieben Jahre Trainer von Borussia Dortmund – nicht, weil das Umfeld so geduldig war, sondern weil er so lange ständig Erfolg hatte!
Auch auf Schalke bereiteten die Finanzen in der jüngeren Vergangenheit Sorgen. Trotzdem schafften es die Blauen, weiterhin stets um die Europapokalplätze mitzuspielen. Schalke erlebt gerade die erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte seit Gründung der Bundesliga. In den elf Spielzeiten seit 2004/2005 kam Schalke achtmal unter die ersten vier. Unter Fred Rutten wurde man 2009 Achter und die vergangene Saison unter Jens Keller und Roberto Di Matteo wurde als Katastrophe angesehen – trotzdem qualifizierte sich Schalke mit Di Matteos sechstem Rang immer noch für die Europa League. Lediglich in der Saison 2010/2011 waren die Blauen von den Europacup-Plätzen weit entfernt und beendeten die Spielzeit auf Platz 14. Dafür gewann man in dieser Saison den DFB-Pokal und erreichte das Halbfinale der Champions League.
Die Erwartungshaltung auf Schalke ist somit letztlich der eigenen erfolgreichen Arbeit geschuldet. Das mag für André Breitenreiter, der bei der Forderung nach Geduld für sich und sein Tun wirbt, großen Druck bedeuten. Und ja, Zufriedenheit ist nicht ausschließlich ergebnisabhängig, begeistert die Spielweise, stimmt das Gefühl, gibt es auch nach nicht gewonnenen Spielen Applaus. Aber Apelle an Geduld reichen nicht, will man erklären, wieso beispielsweise ein sechster Tabellenplatz okay sein soll, wenn ein solcher unter einem anderen Trainer als furchtbar erachtet wurde. Geduld gibt es im Profifußball nur, solange Hoffnung auf ein besseres Weiteres besteht.
Auf Schalke wie in Dortmund, wie überall.
Foto: Thomas Rodenbücher