20 Jahre war Clemens Tönnies der starke Mann auf Schalke. Nun ist er weg. Es steht die Frage im Raum, wer der neue starke Mann auf Schalke wird. Niemand, hoffe ich. Schalker sind viele, und viele können viel erreichen. Schalke braucht heute einen Moderator, keinen Boss mehr.

„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“ sagt Oli4 Kruschinski und hat damit absolut recht. Wer einmal an einer seiner Mythos-Touren teilgenommen hat, weiß um die Anfänge des FC Schalke 04 und kann die immer gleichen Muster bis zum gestrigen Tag erkennen.
Seit 116 Jahren wollten die Menschen im Ruhrgebiet – brauchten Schalker – jemanden, der voran geht. Als Werksclub der Zeche Consol war für Schalker der Anfangsjahre Friedrich Grillo der Patriarch. Die Arbeiter im Arbeiterclub hatten ein gespaltenes Verhältnis zum Ruhrbaron. Einerseits war er für schlechte Arbeitsbedingungen verantwortlich; es brauchte die aufkommenden Gewerkschaften und den offenen Konflikt, um daran etwas zu verbessern. Andererseits ging es nicht ohne den Boss, hielt dieser doch die Zeche am Laufen, schuf dieser die Grundlangen für Arbeit, Club, Kirchbauten, Chöre und Sozialleben.
Bis heute folgen Schalker diesem Bild. Alle Präsidenten und Sonnenkönige des FC Schalke 04 kamen in ihr Amt, weil sich das Schalker Volk nach Führung sehnte und sich selbst keinen demokratischen Prozess zutraute. Und als der Sonnenkönig fiel, projizierte man die Führung auf den Manager. Rudi Assauer wird heute auf Schalke eher nicht für seine Transfers, oder die sportliche Ausrichtung zu seiner Zeit verehrt, sondern als Bauherr der Arena, als Macher, als Typ der voran ging; als Führer. Gestern trat mit Clemens Tönnies der bislang letzte Boss zurück.
Sympathisch fand Clemens Tönnies wohl kaum jemand. Seine burschikose Art war peinlich. Ein besonders guter Redner war er auch nicht. Aber dass er, ob seines Reichtums und seiner Macht durch Beziehungen zu Zeitungen, der Boss war, daran bestand nie ein Zweifel.
Clemens Tönnies hat alle Krisen ausgesessen. Sein Spruch, er werde die Gräben im Verein mit Baggern zuschütten, ist legendär. Dabei war stets er es, der Gräben neu aufriss. Clemens Tönnies hat auch dafür gesorgt, dass neben ihm im Club niemand heranreifen konnte, der ihn ersetzten könnte.
Also lassen wir das doch.
Der sehr geschätzte Toni Lieto schrieb gestern für kicker:
Bei der langfristigen Besetzung der Nachfolge geht es nicht nur um den Posten, den nun Dr. Jens Buchta übernommen hat. Es geht darum, wie der Neue diese Rolle ausfüllt. Er muss eine starke Persönlichkeit sein. Eine mit ordnender Hand. Auf Schalke noch mehr als anderswo, in diesen Zeiten erst recht.
Ich sage: Nein!
Keine starke Persönlichkeit mit ordnender Hand! Niemand, der sich in den Sport1 Doppelpass setzt und dumme Sprüche drischt. Schalke muss das zwanzigste Jahrhundert endlich hinter sich lassen und sich Demokratie trauen!
Schalke braucht eine/n Moderator/in, keinen Boss. Der Aufsichtsrat hat den Vorstand zu kontrollieren. Er sollte ihn an Schalkes Leitbild erinnern und einen Rahmen stecken, in dem sich die eingekauften Profis des Vorstandes bewegen können. Schalke sollte keinem Boss mehr folgen, der alle wichtigen Ämter mit Leuten besetzt, die zuvor mal bei ihm im Lohn standen oder sonst wie von seinen Gunsten abhängig waren.
„Schalke“, das sind zigtausende Schalker*innen, das ist das Volk, und dieses sollten sich trauen, endlich selbst zu regieren.
Foto: Wikimedia
Dem ist nichts außer Zustimmung hinzuzufügen.
Meine Reaktion auf den Kickerkommentar war exakt der gleiche. Was für eine absolut gestrige Vorstellung: der nächste starke Mann, der uns alle retten wird. Jetzt gibt’s erstmal ne spannende Debatte!
Um sich an kommende Desaster zu gewöhnen empfehle ich ‚Won’t Get Fooled Again‘ in Dauerschleife.
Ich kann die Ausgliederung kaum erwarten…