
Als Jochen Schneider zu Beginn der Vorbereitung dem Sender Sky ein Interview gab, leitete Sky-Mann Dirk große Schlarmann den Blick aufs Team mit der Formulierung ein, dass die Mannschaft ja höchstwahrscheinlich in dieser Besetzung nicht in die neue Saison gehen werde. Schneider entgegnete, dass er nicht glaube, dass der Kader groß anders aussehen werde, wenn die Pflichtspiele beginnen, dass man schon weitestgehend die Mannschaft beisammen habe, mit der Schalke in die Saison gehe.
An diesem Punkt sind wir jetzt.
Der Kader ist im Mittelfeld über- und auf den Außenpositionen unterbesetzt. Ein auf Erstliganiveau erfahrener Rechtsverteidiger fehlt gänzlich. Im Tor steht entweder der eine Erfahrene oder der andere Unerfahrene, die beide schon auf Grund schwacher Leistungen vom Trainer den Nummer 1-Status weggenommen bekamen. Gebaut wird nun auf Spieler, die man zuvor aussortierte, wegschickte, auf das sie woanders für sich werben, damit man sie verkaufen kann, Ablösesummen generiert. Aber es bezahlte niemand. Der einzige, wirklich „neue Neuzugang“ ist ein 36-jähriger Haudegen, der schon viel Karriere hinter sich hat, dem sein vorheriger Club keinen neuen Vertrag anbot, der deshalb ablösefrei zu haben war und der dem Vernehmen nach für ein schmales Gehalt auf Schalke spielen wird.
Schalke hat kein Geld. Schalke kann keine Spieler verpflichten, die Kaderlöcher stopfen und dem Team sofort helfen könnten. Schalke kann auch keine erstligatauglichen Talente anderer Clubs mit langfristigen Verträgen locken. Die Corona-Pandemie und ihre Umstände legt die halbe Liga lahm, überall gibt es weniger Transferaktivitäten zu verzeichnen als in den letzten Jahren. Dennoch sieht es so aus, als sei es sehr schwer, einen noch weniger handlungsfähigen Club zu finden, als es Schalke 04 gerade ist.
Seit wann ist das so, wie kam es dazu, wer trägt die Schuld und warum war früher alles besser oder auch nicht … das alles wurde und wird diskutiert, immer und überall. Schließlich ist das hier Schalke 04 und Schalker sind viele. Heute hilft es aber nicht. Man kann nun sagen: „Alles scheiße, schaue ich mir nicht mehr an.“ Die meisten von uns stellen dann aber fest, dass wir doch wieder hinschauen wollen. Dass es uns eben nicht egal ist. Dass wir uns danach sehnen Hoffnung zu haben, dass wir Schalke erleben und nicht so einfach abhaken wollen; und überhaupt war es früher schließlich immer wieder auch mal scheiße.
Ich mag es mir schönreden. Den Umbruch vom Umbruch vom Umbruch zu finanzieren hat den Club ins Heute gebracht. Sich den nächsten Umbruch nicht leisten zu können ist neu und für mich spannend. Ich mag Mark Uths Spielanlage und Armine Harit kann Spiele entscheiden. Bentaleb hat einen feinen Fuß, Serdar ist zurecht Nationalspieler und Stambouli ist ein natürlicher Leader mit Blick für die Spieleröffnung. Mascarell, Kabak und Sané sind Spieler, die man im Team haben will. Talente wie Kutucu, Bozdogan, Boujellab oder Thiaw taugen dazu, Hoffnung zu machen.
„Wenn man über die Bundesliga nachdenkt, gehört Schalke auf jeden Fall zu den Top drei der größten und spannendsten Vereine. […] Einmal für Schalke zu spielen, das hat schon was.“
… sagte Vedad Ibisevic auf die Frage, warum er sich für Schalke entschieden hätte, obwohl ihm von anderen Clubs lukrativere Verträge angeboten worden seien. Kein Champions League-Club mehr, kein Big Spender. Aber ja, groß und spannend, oft auch laut und wild. Ich mag das so.
Bevor wir die Saison also abhaken: Lass‘ ma’kucken.
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Schalke betrachtet sich doch wohl nicht ernsthaft als schlechter besetzt im Vergeich zu Mainz, Freiburg, Stuttgart, Bielefeld, Augsburg, Union, Bremen, Köln? Frankfurt, Wolfsburg, Hertha, Hoffenheim sind weit weg? Da gibt es wahrlich nichts von vornherein abzuhaken.