
Beim Spiel in Bremen fand Trainer Gross keine geeignete Antwort auf Werders Spielweise nach der Pause. In der Live-TV-Sendung „Doppelpass“ hatte Sportvorstand Schneider nichts Neues zu sagen. An manchen Wochenenden verliert ein Fußballclub, selbst wenn das Spiel mit einem Remis endete. Schalke verliert weiter.
Schalke verliert weiter an Boden. Nach dem Spiel in Bremen ist der Rückstand Schalkes auf den Relegationsplatz um einen Punkt angewachsen. Zuvor waren es 8 Punkte und ein miserables Torverhältnis, nun sind es 9 Punkte und ein miserables Torverhältnis. Nach dem Pokalspiel, am Mittwoch gegen den VfL Wolfsburg, trifft Schalke in den nächsten drei Ligaspielen auf Leipzig, Union Berlin und Borussia Dortmund. Starke Gegner. Vermutlich zu starke Gegner für Schalke 04. Eben deshalb hätte man gegen Werder gewinnen müssen.
Denn, bei allem Respekt, Werder Bremen hatte Schalke den Sieg ermöglicht. Es gab in dieser Saison zuvor wohl keine Halbzeit, in der ein Gegner Schalke so viel Raum und so viel Zeit mit dem Ball ließ, wie Werder in den ersten 45 Minuten. Dass Schalke in dieser ersten Hälfte gut gewesen sei und in der zweiten schlecht, diese Nachbetrachtung hat sich durchgesetzt. Meines Erachtens passt das nicht so ganz. Gemessen an der Bremer Passivität hat Schalke viel zu wenig aus dieser Halbzeit gemacht. Sie haben eben nicht nur lediglich einen Treffer erzielt. Sie haben sich auch nicht viele weitere Chancen erspielt.
Als Werder Bremen nach der Pause aufdrehte, als sie das Tempo erhöhten und die Pressinglinie vorschoben, verlor Schalke jeden Halt. Blau kam kaum noch an den Ball. Jedem Beobachter war klar, dass was verändert werden musste, dass es ansonsten nur eine Frage der Zeit war, bis Werder das Spiel drehen würde.
Ich mag es nicht, Trainerentscheidungen aus dem Spiel nach Abpfiff zu kritisieren. Wenn man erst weiß, wie es ausgegangen ist, ist Kritik billig. Vermutlich hätte Schalke das Spiel auch nicht gewonnen, hätte der Trainer Amine Harit auf dem Platz gelassen. Christian Gross wollte mehr defensive Gegenwehr einwechseln, das war bestimmt kein Fehler. Rückblickend war es trotzdem ein verheerendes Zeichen.
Wie schon Manuel Baum zuvor sagte auch Christian Gross in seinen ersten Auftritten als Schalke-Trainer, es fehle der Mannschaft an Glauben an sich selbst, man müsse das Offensivspiel fördern und über Erfolgserlebnisse das Selbstbewusstsein stärken. Als nun aber dieses wichtige Spiel Spitz auf Knopf stand, wechselte der Trainer seinen besten Offensivspieler aus. Es war Harit, der den einzigen Sieg der aktuellen Wirklichkeit ermöglichte, indem er Hoppe die Bälle in den Fuß spielte. Es war Harit, der das Tor in der ersten Hälfte kreierte, als er plötzlich auf der rechten Seite an der Grundline auftauchte und Mascarell den Ball maßgerecht vorlegte. Harits Auswechslung war des Trainers Zeichen an die Mannschaft, dass es nicht mehr darum ging, einen weiteren Treffer zu erzielen, sondern nun noch darum, den Sturm Werders zu überstehen. Ein Zeichen, dass der Trainer letztlich nicht an die Konkurrenzfähigkeit seines Teams gegen Werder Bremen in dieser zweiten Hälfte glaubte.
Schneider im „Doppelpass“ ohne Botschaft
Nachdem man also erlebte, dass sich auf dem Platz von Saisonbeginn bis heute, trotz verändertem Personal und dem vierten Trainer, wenig bis nichts veränderte, war Sonntagmorgen live im TV zu erleben, dass sich auch an Jochen Schneiders Erklärungen dazu wenig bis nichts verändert hat. Nun kann man der Ansicht sein, dass das ja klar sei, dass sich des Sportvorstands Erklärungen nicht verändern. Dann bleibt die Frage: Wozu setzte er sich in dieser Situation in eine TV-Show?
Jochen Schneiders Auftritt hatte keine Botschaft. Er konnte nicht verkünden auf wen man hoffen soll, dass Schalkes Kader fortan besser geplant wird, denn auch über zweieinhalb Monate nach Michael Reschkes Rauswurf ist dessen Stelle unbesetzt. Er konnte die Zukunftssorgen der Fans natürlich nicht beruhigen, weil die Entwicklung dynamisch ist und weil gar nicht klar ist, ob er selbst noch Teil der Schalker Zukunft sein wird.
Stattdessen sagte er, was er immer sagt. Stückweit Fehler gemacht. Klar, auch er. Vor allem mit Wagner. Die Verletzten. Falsch eingeschätzt. Jetzt ist, was ist. Nicht zurückblicken, nach vorne.
Jochen Schneider sprach nicht wie ein Entscheider. Er sprach wie ein Begleiter. Ihm zuzuhören war durchaus angenehm, er passte gut in die Runde. Wäre er gerade ohne Job und hätte als Experte dort gesessen, er wäre dort richtig gewesen, ein guter Gast.
Aber Jochen Schneider ist Vorstand eines Unternehmens in einer existenzbedrohenden Krise. Sich in dieser Situation ohne erkennbare Botschaft in eine Live-Sendung zu setzen ist falsch. Keine Zukunft aufzeigen zu können, stattdessen nur die gleichen Fragen gleich zu beantworten und ansonsten zu plaudern ist falsch.
Schalke verliert weiter. An Boden in der Tabelle. An Zeit bezüglich einer Neuausrichtung. Und an Hoffnung auf eine irgendwie geartete, positive Zukunft bei den Fans.
Irgendwie passt das alles zusammen: hilflose Spieler, ein Trainer ohne zündende Ideen, ein Sportvorstand ohne Biss. Ich mag Christian Gross eigentlich, seine unaufgeregte Art, sein Auftreten in den Pressekonferenzen. Aber sein In-Match-Coaching ist verbesserungswürdig, seine Auswechselungen waren bisher selten glücklich.
Ich mag auch Jochen Schneider und seine sachliche Art. Aber was ich mir zur Zeit wünschen würde, wäre jemand auf der Entscheiderebene, der (oder die) die Ärmel aufkrempelt und sich mit jeder Faser verbal und öffentlichkeitswirksam gegen diesen Abstieg stemmt. Es ist doch zum Heulen, wenn man all diese Gestalten sieht, die sich offenbar schon mit dem Abstieg abgefunden haben, statt sich zu wehren, zu kratzen, zu beißen und zu brüllen.
So, wie es die Fans machen würden, wenn sie denn ins Stadion dürften. Diese glattgebügelte und ach so zivilisierte Resignation passt überhaupt nicht zu Schalke.
Hier gibt’s ja kein Like oder sowas, aber ich möchte meine Zustimmung zum kompletten Kommentar ausdrücken. So fühle ich auch. So vielleicht: ☆
Du meinst so ein Tönnies der mal klar sagt wo es lang geht ? ;)
@Max, nein, ganz bestimmt nicht. Ich meine keine großkotzigen Selbstdarsteller. Tönnies und seine Vasallen haben uns dahin gebracht, wo wir heute sind. Die hätten schon viel früher gehen müssen.
Ich will mal eine Lanze für Jochen Schneider brechen: Auch wenn seine Trainer-Entscheidungen (Stand jetzt zumindest) alle in die Hose gingen, finde ich, dass sie zum jeweiligen Zeitpunkt nachvollziehbar waren: Er war von David Wagners Qualitäten überzeugt, das war sein Wunschtrainer und dieser hatte ja auch auf Schalke schon gezeigt, was er kann. Und wie oft hieß es in der 2019/20er Hinrunde: Jetzt läuft es gut, aber wichtig ist, dass man nicht nervös wird, wenn es mal nicht so gut läuft. Dem Trainer Zeit geben. Nicht den alten Reflexen verfallen. Ich fand das Festhalten an Wagner sympathisch (gerade weil sich Schneider damit einem großen Risiko aussetzte). Ich konnte auch verstehen, warum er Manuel Baum als Nachfolger wollte. Der Mannschaft ein klares taktisches Konzept geben, an der sich Halt findet und so wieder Erfolgserlebnisse einfährt. Christian Gross versteh ich auch. Disziplin und Strenge statt Pädagogik. Und der erneute Trainerwechsel war auch ein Zeichen, dass sich Schneider zumindest damals noch nicht mit dem Abstieg abgefunden hatte. Ich finde aber, langsam hat er alle Trainertypen durch. Gibt es wirklich niemand, der diese Mannschaft erreicht, sodass sie ihr Potential abruft? Ist die Mannschaft – zum Großteil gestandene Bundesligaspieler – wirklich so sensibel, dass bei einer 1:0-Führung die Angst so groß ist, was verlieren zu können, dass sie deshalb das Spielen einstellen? Und warum gibt es diese unerklärlichen Auftritte schon seit vielen Jahren, mindestens seit Keller und di Matteo? Früher war immer die Rede vom schwierigen Schalker Umfeld, aber wie sich jetzt zeigt – die Fans können damit nicht gemeint gewesen sein, denn seit die nicht mehr kommen dürfen, haben sich die Auftritte nur verschlechtert. Sorry, etwas unzusammenhängender Kommentar, aber ich weiß nicht, wie ichs besser ausdrücken soll
@ Grieche – ja und nein. Man kann das Festhalten an David Wagner auch positiv sehen. Für mich war die Entscheidung aber nicht nur falsch, sondern auch nicht zu Ende gedacht. In dieser Saison gab es keine Winterpause und somit auch keine Möglichkeit, um durchzuschnaufen, sich zu schütteln und zu sammeln und dann noch einmal frisch durchzustarten. Alle Korrekturen mussten und müssen im laufenden Betrieb vorgenommen werden. Dass das bei uns nicht funktionieren würde, darauf konnte man eigentlich wetten. Und wer daran geglaubt oder darauf gehofft hatte, dass es in diesem Herbst/Winter Zuschauer in den Stadien geben würde, hat sich auch mit diesem Thema nicht richtig auseinander gesetzt. Und das sind Managemententscheidungen.
Zumindest kauft er ja aktuell ein was das Zeug hält.
Ist halt wie so oft: Hält man fest und es wird besser hat man alles richtig gemacht. Sonst eben alles falsch.