Die Sehnsucht nach dem Tedesco-Gefühl

Schalkes vor-vor-vor-vorletzter Trainer, Domenico Tedesco, kehrt nach einem Jahr in Moskau nach Deutschland zurück. Nicht wenige Schalker träumen von seiner Rückkehr aufs Berger Feld, wünschen sich ihn an Dimitrios Grammozis’ Stelle. Mit Tedesco verbindet man ein Wir-Gefühl, Erinnerungen an Jubel, an Ausgelassenheit. Grammozis’ Wirken in der aktuellen, nüchternen Realität, mit einem nicht bundesligatauglichen Kader, ist hingegen grau und ohne Spannung. Dennoch erfüllt er gerade seinen Job.

Eigentlich sollte Tedesco heute noch Schalkes Trainer sein. Im August 2018 unterschrieb er einen Vertrag mit Gültigkeit bis zum Sommer 2022. Sieben Monate später wurde er freigestellt. Schalke drohte in den Abstiegsstrudel zu geraten. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte Schalke keine wirkliche Mannschaft mehr, nur noch einen Kader aus Grüppchen und Einzelspielern, der auch Huub Stevens seine letzten Haare raufen ließ. An dieser Entwicklung hatte Domenico Tedesco seinen Anteil. Benni Höwedes fühlte sich von Beginn an nie gewollt, Naldo war erst Held, wurde dann nicht mehr beachtet und Ralf Fährmann wurde zur Nummer 2 gemacht, während des Trainers Wunschspieler Sebastian Rudy zu einem der teuersten Transferfehler der Schalker Clubgeschichte wurde.

In Erinnerung blieb Domenico Tedesco aber als ein Trainer für gute Gefühle. Per se grundsympathisch spiegelte er in seinem Verhalten an der Seitenlinie auch noch die Emotionen der Fans und war der bislang letzte erfolgreiche Trainer des FC Schalke 04. Unter seiner Leitung schlug man Leipzig, Leverkusen und Dortmund. Mit ihm an der Seite erlebte man das unfassbare 4:4 nach 0:4 Rückstand. Unter ihm zog Schalke als Vizemeister in die Champions League ein. Dass Medien oder gegnerische Fans behaupteten, man habe Glück gehabt, man sei der schlechteste Vizemeister aller Zeiten focht einen nicht an, trug erst recht zur Entwicklung eines Wir-Gefühls bei. Keinen anderen Trainer sah man lieber in der Kurve feiern!

Die Grammozis-Realität

Diese Gefühle, das Wir, die Leidenschaft, die jeder Schalker während der ersten Tedesco-Saison spürte, werden seitdem vermisst. Ein beispielloser Absturz, der komplette Zerfall eines Kaders, eines Vorstands, eines Aufsichtsrats, mündet im grauen Heute, in dem die Erstligazugehörigkeit abhanden gekommen ist. An der Seitenlinie steht nun Dimitrios Grammozis, auch durchaus präsent, auch mit weißen Sneakers zur Jeans. Aber eben ohne Erfolg und vor leeren Rängen. Mittlerweile hat Grammozis ebenso viele Niederlagen kassiert wie Manuel Baum. Nächste Woche wird er der Schalke-Trainer mit den meisten Spielen in dieser Saison sein. Die neuen Verantwortlichen stellen sich vor, dass Schalke in der kommenden Saison wieder aufsteigt, dass Grammozis dann als erfolgreicher Trainer an der Seite steht, gefeiert wird. Für Fans heute noch unvorstellbar, unmöglich, ein Gefühl dafür zu entwickeln.

Dimitrios Grammozis kann nichts dafür. Als er einstieg hätte auch kein anderer Trainer Schalke noch retten können. Zuviel war kaputt, viel mehr als nur das Spiel auf dem Platz. Das wusste Peter Knäbel, das wusste auch Grammozis, den von Beginn an vor allem das Projekt Neuaufbau in der Zweiten Liga interessierte. Wenn die laufenden Saison beendet ist wird Schalkes Trainer seine Eingewöhnungsphase hinter sich haben. Er wird junge Spieler getestet und beurteilt haben, wird eine Meinung dazu haben, wer davon zum zukünftigen Zweitligakader gehören soll. Das hilft Schalke, das ist ein Vorteil im Tempo zu einem später hoffentlich funktionierenden, neuen Kader.

Diesen Vorteil erkauft sich Dimitrios Grammozis, indem er zur Zeit des Niedergangs sein Gesicht in die Kamera hält. Abstiegstrainer, gleiche Antworten auf gleiche Fragen in den Pressekonferenzen. Aktuell hat er kaum Chancen, gut auszusehen. Damit er irgendwann ein Trainer sein kann, mit dem man gute Gefühle verbindet, braucht es gute Ergebnisse in der Zukunft, die für Schalke 04 in 9½ Wochen beginnt.

Ma’kucken.

Foto: Wikimedia Commons

10 Thoughts

  1. Hoffen wir mal, dass die Hypothek Abstieg mit all seinen Begleitumständen für einen Neustart in Liga 2 für Dimitrios Grammozis nicht zu groß ist. Ich drücke zumindest, ganz uneigennützig ;), die Daumen, dass der Start in die neue Saison einigermaßen erfolgreich ist. Denn sonst könnte diese Hypothek ganz schnell dafür sorgen, dass DG auch wieder gehen muss. Ich hätte gerne mal wieder ein gutes Gefühl, bei Schalke generell und aber auch bei seinem Trainer. Ich drücke Dimitrios Grammozis die Daumen, dass er seine Chance, die er sich mit diesem Abstieg hart erkauft hat, nutzt.

  2. Meine Idee ist die, Gerland irgendwie auf Schalke zu lotsen zu versuchen und DG als Co zur Seite zu stellen. Find‘ mal einen, der sich mit jungen Spielern besser auskennt und zumindest theoretisch aufm Markt ist.

  3. „Unser“ Gerland ist doch jetzt der Buyo. Und ich finde das eine super Wahl und eine sehr gute Lösung für diesen Posten. Und ich könnte mir vorstellen, dass Buyo einen ähnlichen Stellenwert bei uns erreichen kann, wie Gerland bei den Bayern. Wenn man das Konzept bei uns in ein paar Monaten nicht schon wieder über den Haufen wirft… ;)

  4. Gesicht in die Kameras, Pressekonferenzen… – den TV-Kram sehe ich mir nie an. Nie. Keine Interesse, kein Bedarf. Deswegen staune ich seit einem Jahrzehnt, wie die meisten Trainer beurteilt werden, so ca. seit Keller. Tedesco zeitweilig überragend gut, die meisten anderen schlecht oder ganz schlecht; unabhängig von dem, was wir als ihre Arbeitsergebnisse erleben (Spielweise & Punkte).

    Ich verstehe von Trainer-/Vereinsseite nicht, wieso „gleiche Antworten auf gleiche Fragen in den Pressekonferenzen. Aktuell hat er kaum Chancen, gut auszusehen“. Kann er oder sein Chef oder dessen Chef oder am besten alle, können die nicht sagen spätestens seit Bielefeld, wir testen für Liga 2, die dortigen Gegner sind bereits eingespielt, deren Kader weitgehend komplett, wir nutzen die verbleibende Bundesligazeit? Warum muss man sich das zusammenreimen, statt dass es kommuniziert wird? Die Bundesliga ist mit 99x am Stück Bayernmeister und, neben dem 2. Geldsackverein, den Plastik-Clubs auf den folgenden Plätzen (plus 1 jährlich wechselnder „Traditionsverein“, mal S04, mal Mönchengladbach, diesmal Frankfurt) nur noch eine traurige Nummer, als Saisonvorbereitungsveranstaltung gerade noch geeignet. Kann man doch auch hinter stehen. Finde ich.

  5. @Carlito1904: aber Büskens ist nicht der Highlander, will sagen: es kann mehr als einen Co geben :)
    Und Qualität kann man nicht genug haben.

  6. @Manfred: natürlich kann es mehr als einen geben. Aber Gerland passte zu den Bayern und Buyo passt für mich wie kein zweiter zu Schalke. Denke wir brauchen nicht noch so einen. Denke auch nicht, dass das passen würde.

  7. @Manfred: Ich sehe das ähnlich wie @Carlito1904. Außerdem kann es durchaus „zu viel Qualität“ geben. In einem aufgeblähten Funktionsbereich bleiben nicht ausreichend qualitativ sinnvolle Tätigkeiten für den einzelnen. Und so schafft man leicht ein Umfeld mit Konfliktpotential. Auch, wenn die qualitative Kompetenz gleich hoch ist, kann es durchaus verschiedene Vorstellungen bezüglich Vorgehensweise, etc. geben.
    Für uns sehe ich Buyo in seiner jetzigen Funktion als ausreichend. Wichtig ist jetzt nur, dass man jetzt auch an dieser Funktion festhält. Das werden aber erst die nächsten Jahre zeigen.

  8. Der Anfang vom Ende

    Die Vize unter TD war für mich der Anfang vom Ende!
    Die Spiele unter ihm waren doch zum fremdschämen. So destruktiv wie unter TD haben wir kaum gespielt. Konnte die Spiele kaum ertragen.
    Dazu kam das Verhalten von TD vor allem nach der Vize-Saison wie der Kader zusammengestellt wurde und Spieler ausgetauscht und eingekauft wurden.
    Wir sind da aus meiner bescheidenen Sicht irgendwie reingestolpert in die Vize Saison und die folgende….

    Positiv: TD ist rhetorisch Championsleague! Aber fachlich .. ick wes nich….

    Glück auf!

  9. Das wird ja echt eine zweite Liga nächstes Jahr. Ich finde es sehr schade, dass Bremen auch abgestiegen. Den Verein fand ich irgendwie immer gut. Dafür hätten die Kölner ruhig runter gehen können.

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