Schalke 04 hat eine unfassbar schlechte Saison gespielt. Aber lässt sich sagen wie schlecht? Im Sport geht es gerne um „alle Zeiten“. Das ist per se Kokolores, denn was die Zukunft bringt weiß man nicht. Mit dem was war ist indes ein Vergleich möglich. Aber welcher Maßstab ist geeignet? Will man „schlecht“ letztlich nur an den Punkten festmachen, wie die Abschlusstabelle es tut? Oder soll man die Anzahl der Klatschen betrachten, die ein Team hinnehmen muss? Letztlich geht’s im Fußball darum zu gewinnen, sollte man vielleicht die Siege zählen? Wertet man die erzielten Tore als Maßstab des Offensivspiels oder lässt sich mit der Tordifferenz eine Mannschaft besser bewerten?
Ich habe das einfach alles mal gemacht. Die Bundesliga gibt es seit der Saison 1963/1964, und über die Jahre haben 57 Clubs insgesamt 1.042 Kader antreten lassen, um bestenfalls Meister zu werden, zumindest aber nicht abzusteigen. In den folgenden Tabellen sind die schlechtesten Teams der Bundesligageschichte dargestellt, je nach Betrachtungsweise.
Die meisten hohen Niederlagen
„Wann war zuletzt ein Bundesligist allen anderen so komplett unterlegen?“ fragte Tobias Escher während dem Derby am 22. Spieltag, und wies dabei auf die Anzahl an hohen Niederlagen der Blauen in dieser Saison hin. Das Hoch definierte er mit mindestens drei Toren Unterschied.
Macht man Unterlegenheit an solchen hohen Niederlagen fest, war zuletzt der 1. FC Köln mit seinem Team der Saison 2011/2012 mit den heutigen Schalkern vergleichbar. Beide Teams kamen auf 13 Niederlagen mit 3 oder mehr Toren Unterschied, wie auch das 1987er Team aus Düsseldorf und das 1980er Team des SV Werder Bremen. Aus dem Club der Teams mit 10 oder mehr Klatschen in einer Saison konnten nur zwei den Abstieg verhindern. Der SC Freiburg verlor in der Saison 2003/2004 zwar 10 mal derart hoch, aber „nur“ 16 Mal insgesamt, kam damit auf 38 Punkte und landete auf Platz 13. Der FC Homburg rettete sich 1987 in die Relegation und konnte sich dort gegen den FC St. Pauli behaupten.
Die wenigsten Tore
Aber Schalke 04 kassiert nicht nur hohe Niederlagen, man schießt auch selbst wenig Tore. Man schießt wenig aufs Tor, kann sich keine guten Chancen erarbeiten, das hatte ich bereits in einem anderen Beitrag thematisiert. In 34 Bundesligaspielen kam Schalke nur auf 25 Treffer.
Bundesligateams, die den direkten Klassenerhalt schafften, erzielten bislang immer mindestens 30 Tore. In der Saison 1995/1996 holte der SC Freiburg mit 30 Toren 42 Punkte und landete am Ende auf Rang 11. Der Club aus Nürnberg rettete sich mit 38 Punkten aus 30 Treffern in der Saison 1992/1993 auf Platz 13. Die in der Tabelle aufgeführten Mannschaften des HSV und von Fortuna Düsseldorf schafften es mit 25 und 26 erzielten Toren auf Platz 16. Der HSV konnte sich damit über die Relegation in der Liga halten. In der Saison 1996/1997 gab es keine Relegation, weshalb Fortuna direkt abstieg.
Bemerkenswert: In zwei seiner drei Siege erzielte Schalke jeweils 4 Treffer, wodurch diese historisch schlechte Offensivstatistik noch ein bisschen aufgehübscht werden konnte. Dass man dennoch so schlecht dasteht macht deutlich, was Schalke seinen Fans und Zuschauern in dieser Saison angetan hat.
Die schlechteste Tordifferenz
Schalkes Torverhältnis ist 40 Tore schlechter als das des Mitabsteigers Werder Bremen! Für mich ist das die Zahl, welche den Abstand Schalkes zum Niveau „normale Bundesliga“ am deutlichsten macht. Die Differenz von -61 ist derart miserabel, dass sie nur von Tasmania 1900 Berlin unterboten wurde.
Wie schon bei den hohen Niederlagen blitzt einem auch aus dieser Tabelle Homburgs Team von 1987 entgegen. Sich mit 33:79 Toren zu retten ist schon bemerkenswert.
Die wenigsten Siege
Kassiert man hohe Klatschen, schießt man wenig Tore, hat man also ein schlechtes Torverhältnis, dann gewinnt man nicht viele Fußballspiele. Schalke 04 gewann in dieser Saison drei. In der Geschichte der Bundesliga kamen nur zwei Teams auf weniger Siege.
Mannschaften, die nur 5 oder weniger Siege einfahren konnten, sind bislang immer direkt abgestiegen. Mannschaften, die sich in eine Relegation retteten, kamen bislang immer auf mindestens 6 Siege. Der Lucky Loser in dieser Kategorie war Fortuna Düsseldorfs Mannschaft der Saison 1981/1982. Diese schaffte als einziges Team mit nur 6 Siegen den direkten Klassenerhalt. Fortuna landete auf Platz 15, einen Rang vor Leverkusen, das immerhin 9 Siege einfahren konnte. Damals gab es für einen Sieg allerdings nur 2 Punkte. Düsseldorf kam über 13 Unentschieden auf die gleiche Punktzahl wie Leverkusen, und aufgrund des um zwei Tore schlechteren Torverhältnisses musste Leverkusen in die Relegation. Dort konnte man sich allerdings gegen Offenbach durchsetzen und so doch noch die Liga halten.
Die wenigsten Punkte
Keine Siege, keine Punkte. Am Ende läuft alles auf den Wert hinaus, der die Abschlusstabelle bestimmt.
Wenn es darum geht, welcher Club mit den wenigsten Punkten die Ligazugehörigkeit rettete, wird immer vom Hamburger SV in der Saison 2013/2014 gesprochen. Mit 27 Punkten kam der HSV damals in die Relegation. Dort reichte gegen Fürth ein 0:0 im Heimspiel und ein 1:1 auswärts für den Klassenerhalt, dank der „Auswärtstorregel“. Das Team des FC Homburg von 1987, von dem oben schon die Rede war, schaffte aber ähnliches. Auch Homburg landete auf dem Relegationsplatz. 6 Siege und 9 Unentschieden ergaben damals einen Punktestand von 21-47. Nach heutiger Zählweise hätte Homburg auch 27 Zähler auf dem Konto gehabt, wie der HSV. Homburg setze sich in der Relegation ähnlich knapp durch, gegen den FC St. Pauli. Beide Teams gewannen je ein Spiel. Homburg gewann sein Heimspiel aber 3:1, während man auf St. Pauli nur 1:2 verlor.
Schalke war in dieser Saison von 27 Punkten so weit entfernt wie ein Kronkorken vom Mars. Die 16 Punkte der Blauen wurden in der Geschichte der Bundesliga lediglich zweimal unterboten.
Stets ist von Tasmania 1900 Berlin die Rede, wenn über das schlechteste Team in der Bundesligageschichte gesprochen wird. Der Nachfolgeclub SV Tasmania findet das gut, zieht daraus Bekanntheit, besser man ist schlecht als man ist nichts. Aber Tasmania war eben absehbar schlecht, denn Tasmania hatte sich nie sportlich für die Bundesliga qualifiziert. Der Club kam anstelle von Hertha BSC in die Liga. Hertha hatte finanzielle Probleme und wurde wegen eines Verstoßes gegen die Bundesligastatuten von der Liga ausgeschlossen. Dass Tasmania für Hertha eingesetzt wurde war ein Politikum. Die Diskussionen darum führten letztlich dazu, dass man die Liga von 16 auf 18 Clubs aufgestockte und dass Schalke 04 erstklassig blieb, obwohl die Blauen 1965 sportlich abgestiegen waren.
Schalke 04 war mal für die Bundesliga qualifiziert. Das Team der Saison 2020/2021 war es nicht. Dieses Team gehört in jeglicher Hinsicht zu den schlechtesten aus 1.042 Kadern über einen Zeitraum von 58 Jahren Bundesliga. Schalke 04 war kein normaler Absteiger sondern viel, viel schlechter. Wie man das hinter sich lassen kann, worauf man da aufbauen soll, wie man zu dem Glauben kommen kann, es könnte funktionieren, einen kompletten Kader auszutauschen und dann in der zweiten Liga sofort ein Konkurrent um den Aufstieg zu sein; ich kann das nicht nachvollziehen. Dazu fehlt mir gerade die Phantasie.
(Dieser Beitrag ist mit Zwischenständen erstmals nach dem 22. Spieltag der Saison 2020/2021, dem auf unabsehbare Zeit letzten Derby, am 25. Februar 2021 erschienen.)
Foto: Gerd Altmann
Mit sinnvoll eingesetzten Zahlen bekommt man mich immer und ja, das Torverhältnis von -61 fand ich auch besonders erschütternd. Mini-Korrektur am Rande noch: Dass sich Homburg in der Relegation ’87 durchsetzen konnte, hatte ja nichts mit der Auswärtstorregel zu tun. Man hatte nach den beiden Spielen einfach das bessere Torverhältnis nach je einem Sieg auf beiden Seiten.
Danke für den Hinweis, da hast Du natürlich recht. Torverhältnis, nicht Auswärtstorregel. Habe ich korrigiert.
Schalke ist eben Schalke. Und das ist meine Hoffnung, dass es nach einer wirklich – danke für die zahlenmäßige Untermauerung – unfassbaren, ja, unglaublichen Saison im Negativen, auch irgendwo einen Boden geben muss, oder, ja… schalke-typisch… vielleicht ja auch im Positiven eine Überraschung. Allerdings, und da gebe ich dir recht, Torsten, nüchtern betrachtet wäre es wohl eine Sensation, wenn Schalke mit einem fast komplett uneingespielten Kader im ersten 2. Liga Jahr den Wiederaufstieg schaffte. Aber, ich bin jetzt so lange ernüchtert worden, in den letzten mindestens 14 Monaten… Und, als Schalke Fan kannst du nicht nur nüchtern sein, egal, was du selbst für ein Charakter bist.
Ich will jetzt wieder an meinen Verein glauben. Ich spüre da auch Lust, na ja, wohl auch den Frühling und das vielleicht dann doch irgendwie nicht mehr so weit entfernte, Ende oder zumindest erträglichere, Umgehen mit einer gewissen Pandemie. Ich glaube und hoffe, dass die neuen oder anderen, noch jungen Spieler und auch die neuen Führungskräfte, in der großen Mehrzahl verstehen und auch verinnerlichen, dass dieser Fußballverein wirklich viel mehr ist als ein Fußballverein. So wie die Stadt in der ich jetzt seit 14 Jahren lebe, auch viel mehr ist als eine Stadt, Berlin… Glück auf!